Dies ist ein Leitfaden für Frauen, die sich für eine Geburt in der Klinik entschieden, aber trotzdem den Wunsch nach einer möglichst natürlichen Geburt haben. Als natürliche Geburt bezeichne ich eine vaginale Geburt ohne medizinische Eingriffe.
Wenn du eine natürliche Geburt möchtest, ist die Wahl deiner Geburtsklinik, der betreuenden Hebammen und Ärzte entscheidend. Die Geburt ist ein unglaublich sensibler, hormoneller Vorgang. Es wird nur ein kleiner, falscher Stupser benötigt und das Zusammenspiel gerät aus dem Gleichgewicht. Wenn die Geburt deines Kindes in Geburtsklinik A zum Notfall wurde, heißt das nicht, dass die Geburt in Klinik B genauso abgelaufen wäre. Die richtige Wahl ist deshalb essenziell. Ich möchte dir Tipps geben, damit du die richtige Entscheidung für dich und dein Kind treffen kannst.
1. Frage Hausgeburtshebammen & Doulas
Hausgeburtshebammen werden in der Geburtshilfe als Einzige für einen gesunden Geburtsverlauf bezahlt , während alle anderen vor allem an der Pathologie verdienen. Doch auch sie müssen hin und wieder Frauen verlegen, oder zur Geburt in die Klinik schicken. Da ihnen ihre Frauen nicht egal sind, schicken sie sie natürlich in die Klinik, von der sie wissen, dass die Geburtshelfer nicht angst- oder profitorientiert, sondern mütterorientiert arbeiten und die Geburt als natürliches Ereignis sehen und unterstützen. Deshalb rufst du am besten Hausgeburtshebammen in deinem Umkreis an und fragst nach empfehlenswerten Kliniken. Sie können dir mit Sicherheit welche empfehlen!
Eine weitere wertvolle Wissensquelle sind Doulas. Sie sind dafür da der Mutter während der Geburt zur Seite zu stehen. Sie kennen Tipps und Kniffe um den Geburtsschmerz zu lindern und sie helfen Frauen bei der Wehenarbeit. Sie sind wandelnde Geburtslexika und wissen was geht und was nicht. Sie unterstützen die Mutter bei ihren Wünschen und sorgen dafür, dass sie während der Geburt auf Händen getragen wird. Und sie waren schon bei vielen Geburten in den umliegenden Kliniken anwesend. Sie wissen mit welchen Kliniken man gut zusammen arbeiten kann und welche eher schnell in den Geburtsverlauf eingreifen. Greif zum Telefon und rufe Doulas in deiner Umgebung an! Frage nach empfehlenswerten Kliniken. Und wenn du schon dabei bist, denke darüber nach eine Doula zu engagieren.
2. Gehe zu den Kreißsaalführungen
Inzwischen gibt es in fast allen Kliniken Kreißsaalführungen. Die Termine kann man auf den Internetseiten finden. Meist führt eine Hebamme oder Ärztin durch die Kreißsäle und die Wochenbettstation und erklärt alles. Dabei erzählen sie von ihrer Arbeit und den üblichen Ablauf einer Geburt in ihrem Haus. Hier kannst du schon die Ohren spitzen. Wie stehen die Menschen, die hier arbeiten zur Geburt? Erzählt die Ärztin oder Hebamme beispielsweise davon, dass bei ihr keine Frau länger als X Stunden in den Wehen liegen muss, ist das vielleicht für Mütter, die offen gegenüber einem Kaiserschnitt sind oder gerne eine PDA in Anspruch nehmen wollen super. Für dich heißt das: Weitersuchen.
Außerdem hast du während der Kreißsaalführung meist die Gelegenheit, die ein oder andere Frage zu stellen.
Versuche herauszufinden welchen Standpunkt das Kreißsaalteam vertritt. Wird die Geburt als natürlicher Vorgang gesehen, der von ganz alleine am besten funktioniert? Herrscht beim Eingreifen in den Geburtsverlauf der Leitsatz: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“? Oder wird die Geburt als medizinsches und unsicheres Ereignis gesehen, das man kontrollieren und therapieren muss, um es in die richtige Bahn zu lenken?
Hilfreiche Fragen sind:
- Sind natürliche Geburten nach Kaiserschnitt möglich?
Viele Krankenhäuser begleiten keine natürlichen Geburten nach Kaiserschnitt aus Angst vor einer Gebärmutterruptur. Allerdings liegt das Risiko einer Ruptur nach Kaiserschnitt bei ca. 0,5%. Diese Rate erhöht sich, wenn die Geburt eingeleitet wird oder synthetische Wehenmittel zum Einsatz kommen. Für viele Mütter kein Grund die Risiken eines erneuten Kaiserschnittes auf sich zu nehmen. Wenn eine Klinik VBAC’s (VaginalBirthAfterCesarean) betreut, ist das ein Anzeichen dafür, dass ihnen die natürliche Geburt am Herzen liegt und sie die Mutter dabei unterstützen. Und ich wäre nicht überzeugt, wenn die Antwort lautet: „Wir könnten einen Versuch starten.“
- Sind spontane Geburten aus Beckenendlage oder bei Zwillingen möglich?
Ebenfalls ein guter Indikator dafür, wie sehr sich die Klinik für natürliche Geburten einsetzt. Hier könnte man auch weiterfragen, ob es irgendwelche Voraussetzungen für diese Geburten gibt und ob die Gebärenden routinemäßig PDA und Dammschnitt bekommen. Das wäre weniger gut.
- Ist es grundsätzlich möglich bei einem geplanten Kaiserschnitt auf natürliche Wehen zu warten?
Geburtshelfer, die geplante Kaiserschnitte nach spontanem Wehenbeginn machen, sind sich der Wichtigkeit von Wehen für das Kind bewusst. Dieses Vorgehen ist für das Geburtsteam mit einigen Umständen versehen. Wenn der „spontane Kaiserschnitt“ trotzdem möglich ist, ist das ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ihnen die natürliche Geburt und die Wünsche der Mutter am Herzen liegen.
- Wie stehen Sie zu Doulas?
Doulas sind dafür da die Wünsche der Gebärenden zu unterstützen. Wenn ein Geburtshelfer gegen Doulas ist, hat er entweder nicht verstanden wie sie arbeiten und wofür sie gut sind, oder er unterstützt die Gebärenden in ihren Wünschen nicht.
- Wie handhaben Sie die Geburt der Plazenta?
Die Geburt der Plazenta ist die Geburtsphase mit der höchsten Rate an Eingriffen. Ebenso wie sie von den meisten Gebärenden keine Beachtung geschenkt bekommt, verhält es sich mit den Geburtshelfern. Sehr häufig wird prophylaktisch nach der Geburt Oxytozin gespritzt oder an der Nabelschnur gezogen. Wenn dir die Hebammen und Ärzte die Möglichkeit geben, deine Plazenta selbst zu gebären, spricht das dafür, dass sie vom natürlichen Ablauf der Geburt überzeugt sind.
- Aus welchen Gründen leiten sie Geburten ein? Was ist mit schweren Kindern, Terminüberschreitung und abnehmender Fruchtwassermenge?
Eine Geburtseinleitung sollte nur dann durchgeführt werden, wenn es medizinische Gründe dafür gibt. Die oben genannten sind grundsätzlich keine. Die Sichtweise auf diese drei Dinge ist auch ein eindeutiger Hinweis auf den Standpunkt des Kreißsaalteams.
3. Fühlst du dich wohl?
Der wichtigste Aspekt für eine reibungslose Geburt ist, dass du dich wohl und sicher fühlst. Das Gefühl der Sicherheit ist von Frau zu Frau unterschiedlich und hängt mit den eigenen Erfahrungen und Empfindungen zusammen. Solltest du dich während der Geburt unsicher, unwohl oder nicht respektiert fühlen, kann das leicht dazu führen, dass sich deine Wehen verlangsamen oder aufhören. Im schlimmsten Fall wird daraus ein Geburtsstillstand, der Eingriffe nötig werden lässt. Während der Kreißsaalführung siehst du die Räume und lernst einen kleinen Teil des Teams kennen. Höre auf deine innere Stimme. Fühlst du dich verstanden und in deinen Wünschen respektiert? Wie wirken die Räume auf dich?
4. Das Geburtsgespräch
Wenn du dich für eine Klinik entschieden hast, solltest du einen Termin zum sogenannten Geburtsgespräch ausmachen. Während diesem Gespräch, das meist um die 35. Schwangerschaftswoche stattfindet, kannst du deine Wünsche für die Geburt besprechen. Vielleicht hast du einen Geburtsplan geschrieben, oder du hast die Dinge, die dir für die Geburt deines Kindes wichtig sind im Kopf. Nimm am Besten deinen Partner, oder eine Freundin mit. So könnt ihr euch später über das Gespräch austauschen. Vielleicht fallen deiner Begleitung Dinge auf, die du übersehen oder überhört hast.
Über die konkrete Planung deiner Geburt, werde ich einen gesonderten Artikel schreiben. Es herrscht die Meinung, dass Geburtspläne eher kontraproduktiv sind, weil man Geburt nicht planen kann und weil viele Ärzte und Hebammen genervt sind, von Frauen die Geburtspläne schreiben. Vergiss das und werde dir bitte deiner Wünsche bewusst.
Wenn du nun also beim Geburtsgespräch bist, rede offen über deine Wünsche. Du triffst während diesem Gespräch zwar nur auf einen Arzt und/oder eine Hebamme, aber es wird alles in deiner Akte vermerkt. Und du erhälst einen guten Einblick, wie auf dieser Geburtsstation mit individuellen Wünschen umgegangen wird.
Um herauszufinden, ob du die richtige Wahl getroffen hast ist es nicht wichtig, dass alle deine Wünsche mit offenen Armen begrüßt werden. Oder das deine Wünsche eh schon gängige Praxis sind. Auch Hebammen und Ärzte sind Menschen, die diesen Beruf in der Regel ergriffen haben um Mutter und Kind zu unterstützen.
Wenn die gängige Praxis auf dieser Station beispielsweise ist, dein Kind nach der Geburt zur U1 wegzutragen, kannst du trotzdem mit der Hebamme oder dem Arzt darüber sprechen und ihnen sagen, wie wichtig dir die ungestörte Zweisamkeit mit deinem Kind nach der Geburt ist. Sei freundlich und mache klar, welchen Standpunkt du vertrittst. Erzähle davon, welche Wünsche du hast und warum. Das gibt dir Charakter und drängt den „Patienten“ zurück. Deine Geburtshelfer sehen, dass du ein Mensch mit Emotionen, Ansichten und Wünschen bist und wie wichtig dir deren Erfüllung ist.
Dazu noch ein Ratschlag von mir: Sprich freundlich und sehe deinen Arzt oder deine Hebamme nicht als Gegner. Wenn du einen 3 Seiten langen Geburtsplan auf den Tisch knallst, indem jeder Punkt mit „Ich möchte nicht, dass…“ „Ich erteile Ihnen keine Erlaubnis, für…“ anfängt, ist das wenig hilfreich. Sprich eher nicht von „Ich habe auf diesem Blog im Internet eine Studie gefunden, die sagt…“ sondern von „Haben Sie schon einmal XY gemacht?/ Wie stehen Sie zu XY? Ich habe mir dazu meine Gedanken gemacht und mir ist das wichtig, weil XY. Denken Sie, dass das möglich ist?“ Lade sie dazu ein, dich und deine Wünsche kennen zu lernen und Teil der Geburt deines Kindes zu werden.
Nachdem du das Gespräch beendet hast, solltest du dir Gedanken darüber machen.
- Wurde dir mit echtem Interesse zugehört?
- Wurdest du oft beim Sprechen unterbrochen?
- Hattest du das Gefühl, dass über das was du gesagt hast, nachgedacht wurde?
- Wie hat sich deine Begleitung während dem Gespräch gefühlt, wurde er/sie mit einbezogen?
- Bist du mit deinen Wünschen auf offene Ohren gestoßen, oder waren sie eher lästig?
5. Sei dir bewusst, dass deine Geburtshelfer für DICH arbeiten
Und nicht du für sie! Das ist eine Sache, die den meisten sehr schwer fällt. Ärzte und Hebammen strahlen für uns eine gewisse Autorität aus und wir erwischen uns doch oft beim Versuch alles Recht machen zu wollen. Außerdem kann man doch schon Verständnis für die unterbezahlten und unterbesetzten Hebammen und Ärzte aufbringen. Wenn jedoch alle Frauen diesen Umstand stillschweigend annehmen, wird sich für sie und für die Geburtshelfer nie etwas daran ändern.
All diesen Gedanken solltest du bei der Geburt deines Kindes keinen Raum geben. Die einzigen Wünsche die hier zählen, sind eure! Für dich und deinen Partner ist die Geburt eures Kindes ein bedeutungsvolles Ereignis, an das ihr euch euer Leben lang zurück erinnern werdet. Für deine Geburtshelfer ist es Eine von vielen Geburten, die sie begleiten. Wenn du das Gefühl hast, dass du nicht ernst genommen wirst, oder deine Wünsche nicht an erster Stelle stehen, kannst du die Geburtsklinik immer noch wechseln. Auch wenn der Anfahrtsweg ein längerer ist: Es gibt Kliniken, die trotz den Umständen eine möglichst respektvolle und individuelle Geburtshilfe leisten. Die Geburt deines Kindes ist die Suche danach wert. Sie kann den Unterschied zwischen einem Notkaiserschnitt und einer vollkommen natürlichen vaginalen Geburt, ohne jegliche Eingriffe ausmachen!
Ich weiß von Frauen, die die Klinik ihrer Wahl nach Wehenbeginn verlassen haben um ihr Kind in einer anderen zu gebären. Es ist dein gutes Recht, die bestmögliche Betreuung für dich und dein Kind in Anspruch zu nehmen und wenn du zu irgendeinem Zeitpunkt bemerkst, dass deine gewählte Klinik doch die falsche Entscheidung war, solltest du wechseln.
Ich hoffe du konntest einige Tipps für dich aus diesem Artikel mitnehmen. Du und dein Kind habt es verdient mit Respekt und Achtung begleitet zu werden. Ich wünsche dir, dass du die richtige Klinik findest.
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